Radsport: Giro-Crash befeuert Sicherheits-Debatte: "Hätte übel ausgehen können"

Radsport : Giro-Crash befeuert Sicherheits-Debatte: "Hätte übel ausgehen können"

(sid). Der Leichtsinn eines Motorradfahrers, der auf der neunten Giro-Etappe eine ganze Reihe an Favoriten zu Fall gebracht hat, heizt die Debatte über die Sicherheit im Rennen an.

Geraint Thomas steckte der Schrecken noch in den Gliedern, als er am zweiten Giro-Ruhetag zur lockeren Trainingsfahrt aufbrach. "Das hätte richtig übel ausgehen können", sagte der walisische Olympiasieger, dessen Chancen auf den Gesamtsieg bei der Italien-Rundfahrt am Sonntag von einem unvorsichtigen Motorrad-Polizisten zunichte gemacht worden waren. Auch wenn der Massen-Crash von Roccamorice verhältnismäßig glimpflich endete: Die Sicherheits-Diskussion im Radsport erhielt neue Nahrung.

"So etwas ist absolut lächerlich", schimpfte Thomas, der sich die Schulter auskugelte und die Etappe mit mehr als fünf Minuten Rückstand beendete: "Das darf niemals passieren." Das war passiert: Als das Feld in Richtung Schlussanstieg raste, stand auf der engen Strada Provenciale 22 plötzlich ein Polizei-Motorrad im Weg. Der Niederländer Wilco Kelderman kam zu Fall und löste eine Kettenreaktion aus.

"Ich wollte vorbei und bin mit dem Lenker hängen geblieben", sagte Kelderman, wichtigster Helfer von Kapitän Tom Dumoulin im deutschen Team Sunweb. Nicht auszudenken, welche Folgen ein ungebremster Aufprall gehabt hätte - so brach sich Kelderman "nur" einen Finger, der Giro war für ihn beendet. Thomas, dessen Sky-Kollege Mikel Landa, der Brite Adam Yates (Orica-Scott) - gleich drei starke Klassement-Fahrer verloren viel Zeit.

Der Vorfall ist Wasser auf die Mühlen derer, die Motorräder im Peloton als mitunter unkalkulierbares Risiko ansehen. 2016 war der Belgier Antoine Demoitié bei Gent-Wevelgem nach einem Zusammenprall mit einem Begleit-Motorrad gestorben, wenig später lag Landsmann Stig Broeckx nach einem von Motorrädern verursachten Unfall bei der Belgien-Rundfahrt im Koma.

Auf Druck der Fahrervereinigung verabschiedete der Weltverband UCI neue Richtlinien - dennoch krachte es beim Giro, immerhin die zweitgrößte Radsport-Veranstaltung des Jahres. Renndirektor Mauro Vegni reagierte unverständlich gelassen: "Klar, das Motorrad gehört da nicht hin, aber so etwas kann eben passieren."

Während das Gros der Fahrer seinen Unmut kundtat, hielten sich die betroffenen Teams mit Kritik an den Organisatoren zurück. "Wir müssen jetzt ruhig bleiben und dürfen nicht überreagieren", sagte Sky-Boss Dave Brailsford: "Das alles ist emotional, aber wir müssen es in Ruhe bewerten."

Derweil hagelte es Kritik auf die Movistar-Mannschaft. Das Team des kolumbianischen Topfavoriten Nairo Quintana, der die Etappe gewann und die Gesamtführung übernahm, hatte nach dem Crash in voller Stärke Tempo gemacht. Thomas und Co. waren auch dadurch ohne Chance, noch einmal aufzuschließen. "Das war eine ganz arme Entscheidung von Movistar, völlig überflüssig", polterte Orica-Sportdirektor Matt White: "Sie hätten einfach einen kleinen Moment warten müssen - so aber war das ziemlich unsportlich."

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Der unverhofft einiger Kontrahenten entledigte Quintana ging auf den Vorfall nicht wirklich ein - seinen Sieg widmete er dem im April bei einem Trainings-Zusammenprall mit einem LKW tödlich verunglückten früheren Giro-Sieger Michele Scarponi.

"Ich bin total entsetzt über das, was meinem Team passiert ist", twitterte derweil Sky-Kapitän Chris Froome, der sich in Südfrankreich auf die Tour de France vorbereitet. Dort wird Quintana womöglich sein größter Konkurrent - seit Sonntag ist das Duell noch ein wenig brisanter.